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Neun

 

 

 

Grabesstill                                          Anfangs wollt ich fast

 

verzagen, 

 

und ich glaubt, ich trüg

 

es nie. Und ich hab es

 

doch getragen –

 

aber fragt mich nur nicht

 

wie.                                                          Heinrich Heine

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nebel stieg vom Wasser her auf und ließ den Tag frühzeitig dämmern. Zu dieser Stunde und bei dem nasskalten Wetter waren kaum Menschen unterwegs. Die Feuchtigkeit durchdrang allmählich seine Kleider und versteifte seine Gliedmaßen. Jegliches Zeitgefühl war ihm entglitten.

 

Unmöglich zu sagen, wie lange er  schon hier stand und auf die knapp zwei Meter fünfzig hohe Steinmauer starrte, welche das komplette Areal umschloss.

 

In jede Himmelsrichtung, das erinnerte er genau, gab es ein altes, schmiedeeisernes Tor, welches den Besuchern den Zutritt gewährte.

 

Thierry schob die Hände tief in die Taschen seiner Jacke. Das Herz in seiner Brust galoppierte in wildem Rhythmus und verursachte ihm Übelkeit.

 

Er musste das nicht tun. Noch war Zeit genug umzukehren, sich in die wohlwollende Wärme und Geborgenheit seines Hauses zu flüchten.

 

Nein, es war das Einzige was er überhaupt noch tun konnte und wenn er jetzt, in diesem Moment nicht den Mut fand, dann würde er ihn nie finden.

 

Leichter Nieselregen fiel, als er schließlich über die Straße schritt. Er konzentrierte sich so stark auf seine Atmung, um dem Schwindel, der sich seiner Sinne bemächtigte Herr zu werden, dass er das Auto nicht bemerkte, welches mit hoher Geschwindigkeit aus der Kurve schoss.

 

Das laute Hupen des Fahrzeugs riss ihn aus seiner Konzentration. Geblendet von dem hellen Scheinwerferlicht, gelang es ihm in letzter Sekunde auszuweichen.

 

Fluchend sprang er über eine Pfütze auf den Schotterweg, der das Gelände umgab.

 

Reiß dich zusammen, mahnte er sich im Stillen, sonst bist du der Nächste.

 

Die Klinke des Portals lag eiskalt in seiner Hand.  Unter leisem Stöhnen öffnete sich die Pforte als Thierry eintrat.

 

Sein Blick schweift zwischen den alten, hochaufgeschossenen Kieferbäumen, welche die  breiten Wege säumten, und den schmalen Fluchten der Gräber, hin und her.

 

Keine Menschenseele, er war allein.

 

Und nun? Er konnte zunächst das Grab seiner Eltern aufsuchen, sich selbst noch einen kleinen Aufschub gewähren.

 

Thierry wandte sich in westliche  Richtung und betrat den Pfad. Bei jedem seiner Schritte knirschte der Kies unter seinen Sohlen und verursachte ein lautes Geräusch in der geisterhaften Stille, die ihn umgab.

 

Immer schon hatte er Friedhöfe gemieden. Sie waren  für ihn bedeutungslos. Die Menschen, die er zu Lebzeiten geliebt hatte, bewahrte er in seinem Herzen. Auf den Gottesäckern legte man lediglich das letzte Kleid zur Ruhe. Die Seele aber, das was einen Menschen prägte, ihn ausmachte, war das, was in alle Ewigkeit fortbestand.  Dies entsprach zumindest seiner Vorstellung vom Sterben.

 

Als er das Grab seiner Eltern erreichte spürte er jene, vertraute Trauer, gepaart mit tiefer Dankbarkeit, für all die Liebe, die sie ihm und Pascal zu Teil hatten werden lassen.

 

Ihre gemeinsame Zeit miteinander war äußerst begrenzt gewesen. Etwas, das Thierry lange zutiefst bedauerte. Gleichzeitig war er jedoch froh, dass sie den Untergang des eigenen Sohnes nicht miterleben mussten. Das hätte ihnen das Herz gebrochen.

 

Christian und Elise Lancelot waren ehrliche, rechtschaffene Menschen, die sich Zeit ihres Lebens nie etwas zu Schulden hatten kommen lassen.

 

Die Schande darüber, dass ihr Sohn zum Mörder wurde, war ihnen Gott sei Dank erspart geblieben.

 

Müde strich er sich mit der Hand über das Gesicht. Erneut wallte eine Welle der Übelkeit in ihm auf, als er sich ein wenig hilflos umsah.

 

Ihr Grab musste hier in der Nähe sein. Er erinnerte sich, dass die Gruft unter einer Steineiche ausgehoben wurde.

 

Nicole hatte die Sonne gemieden, wie Nachtgewächse das Tageslicht. „Das lässt die Haut frühzeitig altern und fördert Hautkrebs.“ Ihre Worte klangen ihm überdeutlich in den Ohren, als Pascal ihm damals erzählte, er habe eine Grabstätte unter einem dichten Laubbaum gewählt. Nun währte der Schatten ewig.

 

Thierry schüttelte den Kopf, um die seltsamen Gedanken abzuschütteln, die ihn in dieser fremdartigen Umgebung befielen.

 

Er kniff die Augen leicht zusammen, um den Blick zu schärfen und sah sich erneut um.

 

In ca. zweihundert Metern Entfernung entdeckte er ein Grabmal, das reich mit Blumen geschmückt war. Vermutlich eine frische Gruft. Nur dann legte man den Verstorbenen so reichlich  Blütenschmuck auf die Grabplatte.

 

Da er sich ohnehin auf die Suche machen musste, konnte er ebenso gut seinen Weg in diese Richtung fortsetzen, um zu sehen, wer vor kurzem das zeitliche gesegnet hatte.

 

Langsam senkte sich die Dunkelheit herab. Kroch mit langen schwarzen Fingern um die Grabmäler und Gruften und schluckte schließlich ganze Teile des Friedhofes.

 

Doch Thierry hatte sein Ziel vor Augen und fand auch in der Finsternis seinen Weg.

 

Mit langem, sicherem Schritt erreichte er schließlich die frischgeschmückte Grabplatte. Der schwere Blütenduft schlug ihm trotz der kalten Jahreszeit entgegen und verstärkte das Unwohlsein. Der Geruch der Blumen weckte unliebsame Erinnerungen. Bilder stiegen vor seinem geistigen Auge auf, die er in den vergangenen Jahren erfolgreich verdrängt hatte.

 

Der Tag an dem Nicole beerdigt wurde, war einer der heißesten Tage des Jahres  gewesen. Die ganze Insel schien auf den Beinen zu sein, um ihr das letzte Geleit zu geben oder auch, um die Neugier zu stillen. Zu sehen wie sich der Mörder und Mann von Nicole Lancelot bei diesem Großereignis verhielt.

 

Seinen Zusammenbruch wollte niemand verpassen, sollte dieses denn geschehen.

 

Es kam einer Inquisition gleich, der danach verlangte ihn an Ort und Stelle hinzurichten. 

 

Doch Thierry war stark geblieben. In Handschellen hatte die örtliche Gendarmerie  ihn vorgeführt.

 

Pascal versuchte ihn bis eine Stunde vor dem öffentlichen Begräbnis davon zu überzeugen, dass er dort nicht erscheinen musste. Ohnehin werfe er sich nur der hungrigen Meute zum Fraß vor.

 

Doch es war wie ein innerer Zwang. Etwas, das ihn regelrecht antrieb, dabei zu sein. Vielleicht, sich durch dieses Tun ein wenig von der Schuld von den  Händen zu waschen.

 

Genau  jene Stimme, die ihn auch heute hier an diesen Ort gerufen hatte. In den letzten Tagen war es ihm gelungen, dem Drang diesen Ort aufzusuchen, zu wiedererstehen.  Doch er wusste, früher oder später würde er hier her zurückkehren müssen. Um Zwiegespräch zu halten mit sich selbst, aber auch mit Nicole.

 

Nicht, dass er das in den vergangenen Jahren hätte vermeiden können. Stets suchte sie ihn  in seinen Träumen heim, führte ihm regelmäßig vor Augen mit welcher Schuld  er lebte.

 

Und die unbarmherzige Gewissheit, dass ihn nichts und niemand davon befreien konnte.

 

Er senkte den Blick und versuchte in der Dämmerung die Inschrift auf dem grau-weiß marmorierten Grabstein zu entziffern.

 

In goldbeschlagenen Buchstaben stand dort geschrieben:                                          

 

           

 

           

 

           

 

            Nicole Lancelot

 

                                                            geb. 29. 07. 1976

 

                                                            gest.15. 06. 2004                  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicole.

 

Dieses reich geschmückte Grab war ihres. Keine frisch ausgehobene  Gruft.

 

Direkt an dem Grabstein lehnte eine Schieferplatte mit der Inschrift:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                Es gibt keinen Raum, uns zu trennen,

 

                                    und keine entschwundene Zeit,

 

                            und die Flamme der Liebe wird brennen

 

                                               in alle Ewigkeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Worte hallten in Thierry nach.

 

Die Welt begann sich um ihn zu drehen, schwindelerregend schnell. Er senkte den Kopf, in der stillen Hoffnung, den Sturz ins Bodenlose abfangen zu können.

 

Zitternd tastete er sich im Dämmerlicht zu dem Baumstamm vor, um an der jahrhundertealten Eiche sicheren Halt zu finden. Als er das ausgeprägte, feuchte Relief des Stammes unter den Händen spürte, lehnte er sich erschöpft dagegen und versuchte erneut, sich auf den Atem zu konzentrieren, um seinen Herzschlag, der ein unkontrolliertes Stakkato schlug, zu beruhigen.

 

Wer tat so etwas?

 

Wer fühlte sich befähigt dazu, einen solch intimen Spruch auf ein fremdes Grab niederzulegen?

 

Und dazu all dieser Blumenschmuck. Nicht nur, dass es so gar nicht der Jahreszeit entsprach, so reich Blumen niederzulegen. Der November war jener Monat, in dem die Hinterbliebenen ihrer Trauer Ausdruck verliehen, indem sie die Grabstätte mit  Gestecken, Kränzen oder auch in grün gebundene Kreuze schmückten. Aber die dunkle Jahreszeit fand keinen Platz für bunte Blumen, geschweige denn, weiße Rosen.

 

Weiße Rosen.

 

Tatsächlich. Auf dem Grabstein lag ein Strauß frischer, weißer Rosen. Dem Zustand der Blüten nach, konnten sie nicht länger als einen Tag hier liegen.

 

Wer legte weiße Rosen auf Nicoles Grab? Pascal? Thierry legte den Kopf zurück und atmete tief die klare, kalte Herbstluft ein.

 

Nein, das war unmöglich. Nicht Pascal.

 

Wer dann? Wer hatte hier seine heimliche Liebe zu Grabe getragen? Eine Liebe, die so stark war, dass sie auch nach neun Jahren noch nicht an Intensität verloren zu haben schien. Oder versuchte man ihn hier zu provozieren. Vielleicht lauerten ein paar Insulaner hinter verborgenen Gesteinen und weideten sich an seiner  Reaktion. Du verlierst langsam den Verstand, alter Junge, leidest schon an Verfolgungswahn.

 

Hoch oben in den Bäumen erklang der unheimliche Ruf eines Nachtvogels und hallte aus den Tiefen der Schatten zurück.

 

In der nachfolgenden Stille erhob sich eine Windböe und brachte das Geäst über ihm knarrend  in Bewegung. Erschrocken fuhr Thierry herum.

 

Dem  Rauschen des plötzlich aufkommenden Windes, gepaart mit dem Schrei des Vogels, haftete etwas Gespenstisches an. Fast so, als suche ihn zu dieser späten Stunde der Geist Nicoles heim.

 

„Thierry...“

 

Als er die Berührung an seiner Schulter spürte, fuhr er so ruckartig herum,  dass er leicht ins Wanken geriet und halt suchend nach dem Eichenstamm tastete. Vor sich konnte er in der Dunkelheit die zarten Umrisse einer Frau ausmachen. Sein donnernder Herzschlag hallte in den Ohren wieder und übertönte die Geräusche der Nacht. Für Sekunden, in denen er überzeugt war, Nicoles Geist gegenüber zu stehen, schien die Welt anzuhalten. Verzweifelt strich Thierry sich mit der Hand über das Gesicht. Konnte es sein...

 

„Thierry? Alles in Ordnung?“

 

In diesem Moment begannen die vereinzelt stehenden Außenlaternen zu flackern und ergossen ihr gelblich-weißes Licht  auf die Grabmale und Pfade, welche sich zwischen den einzelnen Gruften wanden.

 

„Liliana...“atemlos klang ihr Name von seinen Lippen.

 

Natürlich, Liliana.

 

Nichts, aber auch gar nichts verband sie mit seiner verstorbenen Frau, weder äußerlich noch im Kern ihres Wesens.

 

Ein pochender Schmerz begann hinter seinen Schläfen zu pulsieren.

 

Er war einer Täuschung erlegen, die ihn für Augenblicke lähmte und wieder an Spukgeschichten glauben ließ, wie in den frühen Tagen seiner Kindheit.

 

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken...aber als ich dich hier stehen sah...du wirktest irgendwie verstört.“

 

Tief durchatmend strich er sich das nebelfeuchte Haar aus der Stirn und lehnte sich mit dem Rücken wieder an den Baumstamm, um seinen zitternden Gliedern sicheren Stand zu gewähren.

 

„Du solltest zu dieser Tagesstunde nicht mehr hier sein. Der Friedhof ist menschenleer und kein sicherer Ort für eine Frau.“

 

Er spürte ihren prüfenden Blick, der jeden Zoll seiner Gesichtszüge abzutasten schien. Was immer sie dort vorfand schien sie nicht wirklich zu beruhigen.

 

„Ich bin aus demselben Grund hier wie du, nehme ich an. Gerade weil ich die Gewissheit habe, in der Dämmerung hier allein zu sein, komme ich zu dieser Stunde hier her. Etwas, das Du vermutlich auch zu schätzen weißt.“

 

Sie wandte den Kopf und deutet auf die ausgeschmückte Grabstätte.

 

„Sie haben Blumen gebracht. In den letzten Tagen haben sie die Marmorplatte damit geschmückt.“

 

Er beugte sich vor, um sie genauer in Augenschein zu nehmen.

 

„Sie? Wen meinst du damit?“

 

Liliana hob die Schultern und wich vorsichtig einen Schritt zurück.

 

„Die Insulaner eben. Niemand bestimmtes.“

 

„Liliana, hast du irgendjemanden gesehen? Jemanden erkannt, der zum Beispiel die weißen Rosen auf das Grab gelegt hat?“

 

Als sie vor ihm zurückwich, wurde ihm bewusst, wie bedrohlich er auf sie wirken musste, in dieser unheimlichen Umgebung und mit dem Wissen um seine Vergangenheit.

 

„Lia“, er streckte den Arm aus und berührte sie leicht an der Schulter. Erneut trat sie einen Schritt rückwärts und geriet ins straucheln. Sie wäre gestürzt, hätte er nicht geistesgegenwärtig die Arme ausgestreckt, um sie davor zu bewahren.

 

Beide Arme um ihre Taille geschlungen, zog er sie dicht an sich heran, um sie vor dem sicheren Sturz zu schützen.

 

Sie stand so nah bei ihm, dass er ihren erschrockenen Atem an der Halsbeuge spüren konnte, der sanft darüber hinweg strich. Aus dem Reflex heraus hatte sie ihre Hände halt suchend um seine Hüfte gelegt und krallte die Finger in den weichen Stoff seines Wollmantels.

 

Sekundenlang standen sie einander so nah, dass er sicher war, Verlangen in ihren seegrünen Augen zu lesen.

 

Nur einen winzigen Moment, aber es war da.

 

Das gleiche Begehren, das bei der spontanen Berührung durch seine Adern pumpte. Selbst durch die gefütterten Jacken hindurch konnte er ihre Wärme spüren, die ihn wie ein heilsames Medikament durchdrang.

 

„Ist okay. Ich …ich stehe wieder. Du kannst mich loslassen.“

 

Widerstrebend löste er seine Hände von ihr, schaffte Raum zwischen ihnen, indem er einen Schritt zurücktrat. Augenblicklich spürte er die durchdringende Kälte mit doppelter Intensität

 

„Lia. Bitte, du musst keine Angst vor mir haben.“

 

Sie blieb ihm die Antwort schuldig, indem sie seinem eindringlichen Blick auswich und Nicoles Grab näher in Augenschein nahm.

 

Während sie so vor ihm stand, hatte er Gelegenheit sie eingehender zu betrachten. Das dunkle Haar war in den vergangenen Wochen nachgewachsen und reichte nun schon fast bis zum Kinn. Sie trug eine gesteppte, dunkelblaue Winterjacke, die den zierlichen Körper einhüllte wie einen Kokon.

 

Wieder bemerkte er, wie zerbrechlich, fast elfenhaft sie wirkte. Und er wünschte, er könne sie vor allem Leid dieser Welt bewahren...Doch gerade er kam dafür nicht in Frage.

 

„Du hast also niemanden gesehen, der hier Grabschmuck niedergelegt hat? “ Seine Stimme klang selbst in den eigenen Ohren rau vor Erschöpfung.

 

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid. Warum interessiert dich das so brennend?“

 

Seufzend presste er die Lippen aufeinander.

 

Er hatte das Gefühl, jemand führe eine persönliche Fehde gegen ihn. Jemand, der ihn zu kennen schien und genau wusste, wie er Thierry reizen konnte, um ihn aus der Reserve zu locken.

 

Doch diesen Gefallen würde er der Person nicht tun.

 

In jungen Jahren hatte Thierry sich oft von seinen Gefühlen leiten lassen, hatte auch nicht davor gescheut, wenn es nötig war, zuzuschlagen.

 

Doch die Jahre der Inhaftierung waren harte Lehrjahre. Er hatte gelernt sich zu zügeln und abzuwarten. Mit Gewalt löste man keine Probleme. Manche Dinge klärten sich von selbst.

 

„Du siehst nicht gut aus. Glaubst du, dass es richtig war, ihr Grab aufzusuchen?“

 

Er schob die kalten Hände in die Taschen seines Mantels und hob die Schultern: „Was ist schon richtig, in diesen Tagen. Es gibt leider keine Leitlinien für Verhaltensweisen von Männern, die die eigene Frau getötet haben..., “

 

Er sah, dass sie bei seinen Worten zusammenzuckte und fügte hinzu: „Welches Grab hast du aufgesucht? Du sagtest das Meer habe Mathieus Leichnam nie frei gegeben.“

 

„Hat es auch nicht. Aber wir haben eine Gedenkstätte einrichten lassen. “ Ein zaghaftes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Vor allem für Elise. Damit wir es ihr besser erklären können und...naja, damit sie einen Ort hat, an dem sie ihren Vater aufsuchen kann.“

 

Thierry nickte verständnisvoll, während seine Gedanken wieder zu der sonderbaren Schiefertafel und den weißen Rosen wanderten.

 

Weiße Rosen.

 

Jeder hier auf der Insel kannte deren Bedeutung. Jeder kannte seinen Namen. Lancelot und weiße Rosen standen für eine heimlich gelebte Liebe. Aus dem Pochen hinter seiner Stirn wurde ein hämmernder Schmerz.

 

Er hatte immer gewusst, dass er für Nicole nicht der Einzige war, dass er allein ihr nicht genügte.

 

Aber eine so innige Liebe, dass sie auch Jahre über den Tod hinaus noch währte?

 

„Thierry“, Liliana riss ihn aus seinem Gedankenstrom. „Du blutest ...,“ sie deutete  auf seine Nase und reichte ihm ein Taschentuch.

 

Verflucht. Er hätte es wissen müssen. Die Kopfschmerzen waren nur Vorboten und kündigten eine anstehende Blutung an.

 

Er presste das weiße Tuch auf die Nase und legte den Kopf in den Nacken.

 

„Ich denke, du solltest diesen Ort jetzt verlassen. Ich bin mit dem Auto hier...wenn du möchtest...ich könnte dich heimbringen.“

 

Weder entging ihm das Zittern ihrer Stimme, noch die Unsicherheit, mit der sie ihm den Vorschlag unterbreitete. Alles was sie nicht wollte, war, mit ihm allein in einer engen Fahrerkabine sitzen.

 

„Schon gut. Mein Wagen steht am Ostausgang.“

 

„Aber du kannst unmöglich so Auto fahren...“sie unterbrach sich, als ihr bewusst zu werden schien, dass ihre letzte Begegnung ebenso geendet und sie ihn trotz Nasenblutens dazu aufgefordert hatte, so schnell wie möglich aufzubrechen.

 

„Gut. Wenn du meinst, dann lasse ich dich jetzt alleine.“

 

Einen Augenblick stand sie unschlüssig vor ihm. Fast glaubte er so etwas wie  Besorgnis in ihren Zügen zu erkennen. Dann nickte sie leicht und im nächsten Moment hatte die Dunkelheit ihre zarte Gestalt verschlungen.

 

Tief die kühle, feuchte Luft einatmend, ließ Thierry den Kopf zitternd rückwärtig gegen den mächtigen Baumstamm sinken und schloss die Augen.

 

Sie hatte Recht. Was hatte er sich nur dabei gedacht, diesen Ort aufzusuchen?

 

Im Stillen hatte er die Hoffnung gehegt, ein paar Antworten zu finden, auf all die Fragen, die in seinem Herzen wüteten und ihn Nacht für Nacht umtrieben, um den Schlaf brachten.

 

Doch was war stattdessen geschehen?

 

Statt Antworten wurden ihm neue Rätsel auferlegt. Rätsel, deren Lösung ihm alles abverlangten und dessen Aufklärung ihm vielleicht den letzten Rest an Würde nahmen, der ihm noch geblieben war.

 

Ein tiefer Seufzer löste sich aus seiner Brust und hallte von den Grabsteinen wider, in die  schwarze, mondlose Nacht hinein, so als flehten tausend verlorene Seelen um Gnade. 

 

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Kommentare: 9
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